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Artikel der Allgemeinen Zeitung, Donnerstag, 19. Dezember 2019

Digitales Durchstarten

An der Niersteiner Carl-Zuckmayer-Realschule plus setzt man konsequent auf Tablets – das wird auch vom Land und vom Kreis gewürdigt

Von Ulrich Gerecke

NIERSTEIN . Das digitale Durchstarten ist ein Einzelfall. Wenn Fabio und die anderen Fünftklässler in der Lernwerkstatt vor ihren Tablet-PCs hocken, macht jeder etwas Anderes – aber keiner, was er will. „Dank der Technik kann man das Lernangebot viel stärker individualisieren“, beschreibt Schulleiter Matthias Ritter Sinn und Zweck dieses Konzepts zum selbstständigen Lernen.

An kaum einer Schule im Landkreis werden Tablet-PCs schon heute so konsequent eingesetzt wie an der Carl-Zuckmayer-Realschule plus in Nierstein und der ihr angegliederten Fachoberschule. Das sieht auch der zuständige Kreisbeigeordnete Steffen Wolf so. Er spricht von einer „einzigartigen Melange“ von Maßnahmen, die Nierstein zum Pilot- und Vorzeigeprojekt machen. Seit anderthalb Jahren drehen Ritter, FOS-Leiter Markus Bender und viele Kollegen an diesem großen Rad. Zum Schuljahresbeginn ist die Anstalt vom Kreis zum Pilotprojekt Tabletschule gekürt worden. Im kommenden Sommer wird sie als logische Fortsetzung zur Profilschule Informatik erhoben.

„Geben Schülern nicht nur eine Maschine in die Hand“

Für den Großeinsatz mit Tablets hat man zuerst einmal ganz profan umgebaut: Aus einem Mehrzweckraum wurde eine Lernwerkstatt mit Schreibtischnischen, an denen die Schüler der Orientierungsstufe nun in ihre Rechner vertieft büffeln. Einige haben Ohrenschützer auf, rote Tafeln auf dem Schreibtisch zeigen an, wer Hilfe braucht, Lehrer marschieren von Pult zu Pult, geredet wird nur im Flüsterton. „Wir geben den Schülern hier nicht nur eine Maschine in die Hand, wir entwickeln den Unterricht weiter“, betont Ritter.

Anwendbar sei das iPad in jedem Fach, selbst die Bibel gibt es mittlerweile auf Schulrechnern. Der Schwerpunkt liegt in Nierstein allerdings auf Deutschunterricht, insbesondere Schreib- und Leseförderung. Einmal pro Woche werden die fünften Klassen für eine Stunde aufgeteilt und bekommen differenzierten Unterricht, je nach individueller Leistungsstärke. „Die Schüler arbeiten nach einem eigenen Plan“, berichtet Fachlehrerin Monika Ritter. Trotzdem oder gerade deshalb „ist das persönliche Feedback durch die Lehrkraft ganz wichtig“.

Für Fachoberschulen-Chef Bender ist der Digital-Kurs nicht nur die richtige Vorbereitung aufs Berufsleben, sondern auch gut für den Arbeitsmarkt: Dort mangelt es an Informatikern, deshalb soll die Schwellenangst vor IT schon früh überwunden werden. Was sich in den Tablet-Stunden noch auf der Anwenderebene abspielt, findet bald seine Fortsetzung in höherer Informatik: Mit dem Start der Profilschule im kommenden Sommer bekommen die fünften Klassen eine Wochenstunde Informatik dazu, dann geht es schon um Grundlagen des Programmierens. „Hier sollte man nicht nur Englisch lernen, sondern auch ein bisschen Java“, ist Benders Credo. Für die Zukunft schwebt ihm vor, dass Lehrer und Schüler eigene Lern-Apps entwickeln – der Fantasie sind wenig Grenzen gesetzt.

Dennoch geht Matthias Ritter behutsam vor: „Wir bahnen diesen Weg vorsichtig an, die Technik steht immer hinter der Pädagogik.“ Die Handschrift werde keineswegs, wie manche Eltern argwöhnen, abgeschafft – im Gegenteil: „Seit ich iPads nutze, schreiben die Schüler bei mir mehr.“ Der Unterricht verändere sich aber massiv, darauf müssten sich auch seine Kollegen einstellen. „Das Gerät ist ein gutes Präsentationsmittel, aber es stellt auch pädagogische Herausforderungen“, weiß Matthias Back-Schück, Mathematiklehrer und Didaktischer Koordinator der Realschule plus. „Man muss als Lehrer klar agieren. Bei mir ist das Ding am Anfang der Stunde immer zugeklappt. Wenn es geöffnet wird, wird nur gemacht, was ich sage.“ Der gute, alte Frontalunterricht hat nicht ausgedient, aber auch er wird sich ändern.

Infrastruktur steht, Geld aus dem Digitalpakt kann fließen

Was in der Niersteiner Lernwerkstatt als Keimzelle passiert und vielleicht die Zukunft der Pädagogik darstellt, geht nur mit funktionierender Technik. „Ich bin froh, dass wir im Landkreis frühzeitig angefangen haben, die Infrastruktur auszubauen“, sagt der Beigeordnete Wolf. WLAN und interne Anschlüsse sind bereits an fast allen Standorten eingerichtet. Sobald dank der Mittel aus dem Digitalpakt flächendeckend Glasfaserkabel liegen, kann es richtig losgehen.

„So eine Pilotschule wie Nierstein zu haben, war immer unser Ziel“, betont Wolf und denkt schon einen Schritt weiter. Wünschenswert wäre eine Cloud-Lösung für alle Schulen – sofern der Datenschutzbeauftragte des Landes mitspielt: „Alle nutzen Clouds, da muss man Farbe bekennen.“ Eine Wolke, damit die digitale Zukunft nicht im Nebel verschwindet.

KONGRESS

Die Carl-Zuckmayer-Realschule plus in Nierstein ist am 26. Mai 2020 Schauplatz eines großen Kongresses zum Thema Digitalisierung in der Bildung. Beim Forum „i Media“ treffen sich Lehrer zur größten Fortbildungsveranstaltung mit digitalen Medien in Rheinland-Pfalz .

Bisher fand die „i Media“ 15 Mal statt – und zwar immer an Mainzer Gymnasien . Dass diesmal Nierstein ausgewählt wurde, unterstreicht die Vorreiterrolle der Realschule plus bei diesem Thema.